“Als der Mensch im Anfange seiner Zeit das erste Wort als Wort und nicht nur als Schall hörte; als er selber sein erstes Wort sprach – da ging ihm das Licht seiner inneren Welt auf, und das Geheimnis seines Lebens wurde ihm offenbar. Es muß aber dann einen Augenblick gegeben haben, wo jenes Licht sich wieder verdunkelte und jenes Geheimnis vor dem Menschen sich verschloß, und das war der Augenblick des Abfalls von Gott.” (Ferdinand Ebner: Das Wort und die geistigen Realitäten. Pneumatologische Fragmente, Fragment 8)

“Natur ist ebensosehr Verfall wie Aufstieg.” (Christian Paul Berger)

Download als mp3

Ein Tondokument der Veranstaltung auf Audio-CD kann gegen einen Unkostenbeitrag von EUR 8.— hier bestellt werden. Mitglieder erhalten die CD zum Vorzugspreis von EUR 5.—. Sie enthält den Vortrag von Christian Paul Berger, die Einführungen von Walter Methlagl und Ernst Pavelka sowie die gesamte Auditoriumsdiskussion.

Was ist Natur und wie lässt sie sich erkennen? Mit weit ausholenden Gesten den gesamten Verve seiner eindrucksvollen Persönlichkeit in die Waagschale werfend, stellte der Bregenzer Philosoph Christian Paul Berger am 9.2.2009 im Haus der Begegnung in Innsbruck vor ungefähr 15 Zuhörern das Denken Ferdinand Ebners dem Henri de Lubacs jenseits ausgetrampelter akademischer Pfade gegenüber.

Was bedeutet Natur?

Nach Henri de Lubac („Surnaturel“, 1946) lässt sich Natur (und zwar im gewöhnlichen Wortsinn) nur dann in ihrer ganzen Tiefe verstehen, wenn man so etwas wie eine „Übernatur“ in Betracht zieht. Er verfolgt diese Sichtweise in seinem 1947 publizierten und äußerst kontroversiell aufgenommenen Hauptwerk von den Kirchenvätern herauf durch die Jahrhunderte bis zu Henri Bergson. Nach Christian Paul Berger hat diese Verschränkung von „Natur“ und „Übernatur“ – freilich indirekt – auch das Naturverständnis der Bio- und Medizinwissenschaften tiefgehend beeinflusst. Die in Lubacs Hauptwerk angesprochene Übernatur ist aber nicht etwa Esoterik (also nichts Übersinnliches im vulgären Verständnis), sondern vielmehr jenes kosmo- und biohermeneutische Voraussetzungssystem und Vorverständnis, durch welches man erkennen kann, dass Natur Wort-Schöpfung ist, in der Gott gegenwärtig ist. Es ist also von einer Schöpfung die Rede, die von vorneherein als personales „Wort“ (hebräisch Dabar) ausgesprochen wurde, dem der Mensch nunmehr Wissenschaft, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft antwortet. Nicht allein auf der Basis von „Chaos und Schall“ (also nicht allein durch ein chaotisches Urrauschen bzw. Urflimmern hindurch) entwickelt sich die Natur zur kosmischen Ordnung, sondern sie ist ein schier unerschöpflicher Text, der in Jahrmillionen geschrieben worden ist und bis ans Ende der Zeiten weitergeschrieben wird. Mit dem Auftreten des Menschen gibt es dann auch Deutungsversuche und Interpretationsmodelle. Anders formuliert: Die Entfaltung des personalen Prinzips beruht auf der Macht des Bildes, der Abbildbarkeit des Wortes. Lubac begreift den Menschen als jenes sprachliche Wesen, das auf Gott ausgerichtet ist und nach Antworten sucht, um diese zu leben. In „Catholicisme“ verwendet de Lubac diese Sichtweise, um das Wesen und den Stellenwert der „Kirche“ zu ergründen. Dort geht es um den ekklesiologischen Begriff der „Gemeinschaft“, die auf dem personalen Prinzip beruht. Die von den Naturwissenschaften thematisierte „Natur“ ist hingegen eine Art des Deutungsversuchs des Lógos, der allein auf der Abbildbarkeit des Wortes beruht, sie findet ihre Vergemeinschaftung (Kommunikation) in einer dialogisch angelegten Interdisziplinarität.

Berger will uns von Lubacs Überlegungen her deutlich machen, dass der Mensch das Lebewesen ist, das sich Bilder von der kosmischen Komplexität machen kann. Er versieht sie häufig mit dem Suffix „-logie“ (z.B. Kosmologie). Natur nimmt ihren Ausgang von einem Protológos, der sich in „-logien“ formulieren lässt, was anders formuliert bedeutet: Sie beruht auf „Grammatiken“ (Martin Luther), welche auch von den Naturwissenschaften stillschweigend vorausgesetzt werden. Über die Wissenschaften werden die „-logien“ personal. Ethik und Ästhetik sind dann zuletzt Versuche der personalen „Vervollkommnung“ jener schöpferischen Komplexität, die auf das Supranaturale ausgreift.

Der Ausgriff zeigt sich also auch in empirisch erfassbaren Abstimmungen und Ordnungen, die wesentliche Themen der Naturwissenschaften sind. So ist in der modernen Quantentheorie von der Einfachheit und Eleganz der Naturgesetze die Rede. Kurz: Natur ist als Ganzes Gottes Kommunikation mit den Geschöpfen, die sich auf verschiedenen Kommunikationsebenen und Niveaus entfaltet und in Gestalt von „-logien“ gedeutet werden kann. Eine wesentliche Facette dieses Supranaturalen ist die Gnade, sie ist die Hinwendung Gottes und seine Gegenwart in der Natur. Der Mensch kann sich nur dann ein angemessenes Bild von der Natur machen kann, wenn er erkennt, dass alle Formen naturalistischen Forschens auf solchen übernatürlichen Voraussetzungen beruhen. Bergers Gedanken zum supranaturalen Prinzip werden mit Blick auf das „Achte Fragment“ Ferdinand Ebners entwickelt. Dort ist vom „Urwort“ die Rede.

In einer bisher beispiellosen Parallelführung der beiden großen Denker Ferdinand Ebner und Henri de Lubac gelang es Christian Paul Berger letztlich, die im Urwort angelegte personale Struktur der Natur als Basis jedweder Naturerkenntnis offenzulegen. Indem er das Denken Ferdinand Ebners durch das von Henri de Lubac weiterentwickelt, macht er den dialogischen Personalismus auch für die modernen Bio- und Medizinwissenschaften fruchtbar.

Christian Paul Berger
Christian Paul Berger lebt am Bodensee und in Salzburg. Er ist zurzeit freier philosophischer Schriftsteller, Wissenschaftshistoriker und BHS-Lehrer an der Bundeshandelsakademie Bregenz, der die Fächer Deutsch, Betriebliche Kommunikation und das Seminar in der Fachrichtung Kulturmanagement unterrichtet.

Er studierte von 1975-1985 Mathematik, Philosophie und Germanistik an der Universität Innsbruck. Dissertation zu Edmund Husserl und Magisterarbeit zu Novalis. Von 1985 bis 1999 war er u.a. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut Brenner-Archiv und Lektor am Philosophischen Institut, am Institut für Astrophysik an der Universität Innsbruck und nahm 1998 mit seinem Roman „Reise durch missglückte Landschaften“ am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Zahlreiche Veröffentlichungen im philosophischen und literarischen Bereich sowie Auftritte bei Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen kennzeichnen seinen Lebenslauf. So hielt er beim von der Internationalen Ferdinand-Ebner-Gesellschaft organisierten Ferdinand-Ebner-Symposium in Gablitz bei Wien 2007 einen Vortrag mit dem Titel “Das Wort in der Natur – Emphatische Naturwissenschaften”. Insidern ist Christian Paul Berger bekannt für seine exzellenten Beziehungen zu den unterschiedlichsten Größen des gegenwärtigen Geisteslebens. Er ist neben Erich Hamberger u.a. einer der Vertreter des biohermeneutischen Ansatzes in der interpretation des Dialogischen Pesonalismus im Anschluss an Ferdinand Ebner.

Bilder der Veranstaltung

Christian_Paul_Berger
Der Bregenzer Philosoph Christian Paul Berger erläutert am 9.2.2009 im Haus der Begegnung in Innsbruck, dem neuen Partner der Internationalen Ferdinand-Ebner-Gesellschaft, das 8. Fragment aus „Das Wort und die geistigen Realitäten – Pneumatologische Fragmente“ von Ferdinand Ebnner (© Ernst Pavelka)

Christian_Paul_Berger-Lesung
Christian Paul Berger: Lesung aus Ferdinand Ebners „Das Wort und die geistigen Realitäten – Pneumatologische Fragmente“ sowie aus Henri de Lubacs „Surnaturel“, 1946 (© Ernst Pavelka)

Christian_Paul_Berger_und_Toni_Unterkircher
Christian Paul Berger und Toni Unterkircher (© Ernst Pavelka)

Büchergalerie
Die von Walter Methlagl zusammengestellte Büchergalerie mit Werken zu Ferdinand Ebner. Auf dem Büchertisch konnte wichtige Literatur von und zu Ferdinand Ebner auch käuflich erworben werden (© Ernst Pavelka)

Sie wollen die Internationale Ferdinand-Ebner-Gesellschaft unterstützen, um weitere interessante Veranstaltungen zu ermöglichen, für ihre Beschäftigung mit dem Werk und der Person Ferdinand Ebners von der Internationalen Ferdinand-Ebner-Gesellschaft zu profitieren oder regelmäßig darüber informiert zu werden, was sich rund um Ferdinand Ebner und die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Denkens alles tut? Dann werden Sie doch gleich Mitglied. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich auf lediglich EUR 15.— pro Jahr.

Sie wollen uns nur unverbindlich unterstützen? Dann lassen Sie uns doch einen kleinen Unkostenbeitrag für unsere Bemühungen direkt auf unser Konto zukommen:

Internationale Ferdinand-Ebner-Gesellschaft
Bankinstitut: Erste Bank
Kontonummer: 310027-00607
Bankleitzahl: 20111
IBAN: AT892011131002700607
BIC: GIBAATWW