„Die Reflexion ist nicht das Böse, sondern das Verharren in der Reflexion und der Stillstand in der Reflexion ist die Misslichkeit und die Verderbnis; sie veranlasst den Rückgang, indem sie die Voraussetzungen in Ausflüchte verwandelt.“ (Sören Kierkegaard)

Osterfestival Tirol 2012 : Aki Takase
Osterfestival Tirol 2012 : Aki _Takase

Søren Kierkegaard : Kritik der Gegenwart oder: Zwei Zeitalter, Übersetzung von Inger & Walter Methlagl, 2011

Was schon 2007 vorgelegen ist und worüber unser Obmann Walter Methlagl schon beim Ferdinand-Ebner-Symposium 2007 in Gablitz im Wienerwald gesprochen hat, ist im letzten Viertel 2011 nun im Druck erschienen:

Søren Kierkegaard : Kritik der Gegenwart oder: Zwei Zeitalter. Ein Kapitel aus der Schrift „Eine literarische Besprechung“ („En literair Anmeldelse“), 1846. Übersetzung von Inger & Walter Methlagl. Mit einem Essay von Walter Methlagl, Søren Kierkegaards „Kritik der Gegenwart“ – heute?“ Salzburg: Otto Müller Verlag, 2011

Im Rahmen des Osterfestval Tirol 2012 findet die Tiroler Präsentation mit Lesung und Gesprächstatt:

Wann: 25. März 2012
Um: 18:15 Uhr
Wo: ORF Landesstudio Tirol

Die Veranstaltung leitet ein Konzert der japanischen Jazzpianistin Aki Takase ein.

Kierkegaards Schrift „Kritik der Gegenwart“ (1846) wurde erstmals vom Münchner Philosophen Theodor Haecker ins Deutsche übersetzt. 1914 veröffentlichte er sie mit einem aggressiven Nachwort in der Innsbrucker Zeitschrift „Der Brenner“. „Gegenwart“ bezeichnete dabei die Situation zur Zeit des beginnenden Ersten Weltkriegs.

In gleichsam geistiger Fortsetzung der Absicht von Theodor Haeckers Übersetzung werden im Zusammenhang der soeben erschienen Neuübersetzung von Walter Methlagl Kriterien, die Sören Kierkegaard einsetzte, um zu seiner Zeit herrschende Zustände kritisch zu durchleuchten, in einer Art „Probe aufs Exempel“ exemplarisch in unsere Gegenwart „übersetzt“. Gelten Kierkegaards „Wahrheits-Kriterien“ auch noch heute?

Vgl. dazu den Vortrag von Walter Methlagl beim Ferdinand-Ebner-Symposium 2007 in Gablitz im Wienerwald.

Unzulängliches in den Lebensbedingungen Einzelner und der Gesellschaft wird in unserem Zeitalter zunehmend an den Tag gebracht: in NGO-Veranstaltungen, bei Anti-G8- oder G20-Demonstrationen, in Konsumenten-Magazinen, in kritischen Internet-Web-Sites, in zeitkritischen Romanen, in Michael Moores Filmen, in den Artikeln der leider ermordeten Anna Politovskaja.

Zunehmend gibt es also Kritiken an gegenwärtigen Handlungen, Ereignissen und daraus resultiernden Zuständen. Etwas anderes ist es, Symptome und Sachverhalte, die das Leben heute oft schwer und gefährlich und morgen voraussichtlich noch viel schwerer und gefährlicher machen, als einzelne zu fixieren und dann auf gemeinsame verursachende Nenner zurückzuführen, also – wie Kierkegaard es versucht hat – „Kritiken“ zu einer „Kritik unserer Gegenwart“ werden zu lassen, gegebenenfalls auch der künftigen Gegenwart unserer Kinder und Enkel. Dazu bieten die Neu-Übersetzung und der Essay möglicherweise eine Handhabe.

Was kann heute noch „Revolution“ sein? Diese an heutige Leser von Kierkegaards Schrift gerichtete Frage führt in der ihr beigegebenen Deutung notwendig zu weiteren „Brenner“-Autoren, die zu den frühesten Rezipienten und originärsten „Fortsetzern“ Kierkegaards gehören – insbesondere zum dialogischen Denk-Ansatz Ferdinand Ebners und zur dichterischen Gestaltungsweise und Selbst-Einschätzung Georg Trakls.

„Angepeilt“ sind sowohl mit der Übersetzung als auch mit dem Essay nicht nur philosophisch ausgebildete Leserinnen und Leser, sondern auch wissenschaftlich nicht-konditionierte, vor allem jüngere Leute, am liebsten auch Personen, die sich von diesen Texten eigentlich ganz besonders angesprochen, wenn nicht sogar porträtiert sehen sollten.